Vortrag abgesagt: Biologin Vollbrecht vollzieht Täter-Opfer-Umkehr
Im Juni 2022 plante die Biologie-Doktorandin Marie-Luise Vollbrecht einen Vortrag an der Humboldt-Uni (HU) in Berlin. Der Titel lautete: „Geschlecht ist nicht (Ge)schlecht - Sex, Gender und warum es in der Biologie zwei Geschlechter gibt“. Nachdem der "arbeitskreis kritische jurist*innen" (akj) der HU Berlin zu einem Protest gegen den Vortrag aufrufte, wurde er aus Sicherheitsbedenken verschoben.
Wieso dieser Aufruhr? Marie-Luise Vollbrecht promoviert an der HU Berlin zu einem neurophysiologischen Thema. Bereits im Vorfeld des Vortrages ist sie als Mitautorin des Gastbeitrages "Wie ARD und ZDF unsere Kinder indoktrinieren" in der Welt in Erscheinung getreten. Der viel diskutierte Artikel enthält transfeindliche Aussagen.
Im Interview mit Katja Thorwarth beleuchtet die Mediensoziologin und Wissenschaftshistorikerin Dana Mahr die Hintergründe des Vortrags. Mahr schaut auch auf die diskursiven Strategien Vollbrechts und der dazugehörigen rechten Strukturen. Folgende Punkte werden erläutert:
- Der Titel und das Thema des Vortrages werden als ein Teil einer rückwärtsgewandten rechts-konservativen Kommunikationsstrategie erkannt. Sie ist queerfeindlich und wird besonders in den sozialen Medien genutzt.
- Unter dem Deckmantel der "Wissenschaftsfreiheit" wird eine Täter-Opfer-Umkehr betrieben.
- Obwohl sich auf eine fachliche und rationale Debatte berufen wird, äußern sich Akteur*innen wie Vollbrecht öffentlich. Auf Plattformen wie X äußern sie sich transfeindlich und adressieren auch einzelne Personen direkt.
Mittlerweile hat Vollbrecht ihren Vortrag gehalten. Zuvor war dieser bereits von ihr auf YouTube gestreamt worden. Es kam zu keinen Störungen. Demonstrationen von Studierenden fanden zeitgleich an anderen Orten statt. An einem begleitenden Panel zur Diskussion um die Absage nahm Vollbrecht nicht Teil. Mit dabei waren Aktivist*innen der queeren Community, Vertreter*innen der HU Berlin und die Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger.
Nach der Debatte um ihren Vortrag äußert sich Marie-Luise Vollbrecht weiterhin transfeindlich: auf ihrem X-Account und in rechten Talk-Formaten auf Youtube. Sie mischt besonders beim 2024 in Kraft getretenen Selbstbestimmungsgesetz mit. Zur weiteren Einordnung der Debatte mit Schwerpunkt auf die Verbindung von Transfeindlichkeit und rechten Diskursen wird der Artikel "Wie ein abgesagter Vortrag transfeindliche Feminist*innen und Rechtsaußen zusammenbringt" empfohlen.
Zur Richtigstellung transfeindlicher Mythen werden die Broschüren Trans*feindliche Mythen – einige Richtigstellungen (TransInterQueer e.V.) und „Soll Geschlecht jetzt abgeschafft werden?“ (LSVD e.V. und Bundesverband Trans* e.V.) empfohlen. Alle Herausgebenden sind Selbstvertretungsorganisationen oder Vertretungsverbände.
Im Absatz "Biologin Vollbrecht vollzieht Täter-Opfer-Umkehr" werden als Beispiele transfeindliche und behindertenfeindliche Aussagen von Twitter-Accounts reproduziert.
"Doxing" bezeichnet die Praxis, personenbezogene Daten, wie Klarnamen oder Privatadressen, der Betroffenen zusammenzutragen und anschließend ohne Zustimmung im Internet zu veröffentlichen. Basierend auf den veröffentlichten Daten erfolgen oft Folgeattacken auf die betroffenen Personen.