Schwerpunkt
Geschlechtsspezifische Gewalt und der Einfluss antifeministischer Väterrechtler
Zum Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen am 25.11.25
Geschlechtsspezifische Gewalt ist Gewalt, die sich gegen eine Person aufgrund ihres Geschlechts richtet. Sie kann sich als körperliche, sexualisierte, psychische oder ökonomische Gewalt äußern. Die breite, gesellschaftliche Akzeptanz von sexistischen Einstellungen ermöglicht geschlechtsspezifische Gewalt. Antifeminismus wiederum legitimiert die Gewalt systematisch.
Besonders Frauen, trans*, inter* und nicht-binäre Personen erleben geschlechtsspezifische Gewalt, weil unsere Gesellschaft immer noch patriarchal geprägt ist. Weiblichkeit und Abweichungen von der Zwei-Geschlechter-Norm (z. B. trans* und inter* Personen) werden abgewertet. Gewalt ist ein Ausdruck dieser Abwertung.
Der Europarat hat 2011 mit dem „Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt“, auch Istanbul-Konvention genannt, einen umfassenden Menschenrechtsvertrag gegen geschlechtsspezifische Gewalt entwickelt. Die Bundesrepublik Deutschland hat die Istanbul-Konvention 2018 ratifiziert. Das Abkommen hat damit den Rang eines Bundesgesetzes in Deutschland. Doch die Vorgaben der Istanbul-Konvention sind in Deutschland noch nicht vollständig umgesetzt. Nach wie vor fehlt es an Schutzplätzen, Beratungsangeboten, Präventionsmaßnahmen und Täterarbeit. Dies soll u. a. durch das im Februar 2025 verabschiedete Gewalthilfegesetz geändert werden, das ab 2032 einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder vorsieht.
Das Expert*innengremium GREVIO, das die Umsetzung der Istanbul-Konvention in den unterzeichnenden Staaten überwacht, kritisiert die in deutschen Jugendämtern und Familiengerichten weit verbreitete Anwendung des pseudowissenschaftlichen Konzeptes "Parental Alienation Syndrom" (deutsch: Bindungsintolerant oder Eltern-Kind-Entfremdung). Dieses Konzept wird häufig in Sorgerechts- und Umgangsverfahren benutzt, in denen die Mutter Gewalt durch den Vater erlebt hat. Den Müttern wird vorgeworfen, das Kind unangemessen zu beeinflussen und vom Vater zu entfremden. Dies hat teilweise dazu geführt, dass Gerichte den Müttern das Sorgerecht entzogen haben, obwohl das Bundesverfassungsgericht 2023 festgestellt hat, dass das Parental Alienation Syndrom ein unwissenschaftliches Konzept ist. Es bildetkeine Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung.
Die weite Verbreitung des Konzeptes liegt vor allem am Einfluss antifeministischer Väterrechtler, die vorgeben, Kinderinteressen schützen zu wollen, dabei aber gezielt und organisiert gegen Gleichberechtigung und feministische Errungenschaften vorgehen. Sie sind sehr gut vernetzt in Politik und Justiz.
Wichtig bei der Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt ist es, zwischenmenschliche und staatliche Gewalt zusammenzudenken. Denn insbesondere besonders marginalisierte Personen - Personen of Color, Personen ohne gesichterten Aufenthaltsstatus, trans* und intergeschlechtliche Personen - werden vom Staat und seinen Behörden oft nicht geschützt. Daher braucht es starke, nicht-staatliche solidarische Strukturen, die Betroffene geschlechtsspezifischer Gewalt unterstützen.