Rechtsgutachten mit Handreichung

Möglichkeiten gesetzlicher Neuregelungen im Konfliktfeld «Gehsteigbelästigungen»

In Deutschland gibt es zu wenige ärztliche Praxen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, und zu wenige Beratungsstellen, an die sich ungewollt Schwangere wenden können. Zusätzlich erschweren Abtreibungsgegner*innen (ungewollt) schwangeren Personen durch sogenannte „Gehsteigbelästigungen“ den Zugang. Persönliche, körperliche und auch juristische Grenzen werden dabei überschritten.

Dies geschieht meist durch Plakate, direkte Ansprache oder kollektives Beten. Berater*innen von pro familia und anderen Einrichtungen, die die gesetzlich vorgeschriebene Schwangerschaftskonfliktberatung anbieten, fordern schon seit langem einen besseren Schutz der Beratung Suchenden und der Berater*innen selbst.

Ein vom Gunda-Werner-Institut in der Heinrich-Böll-Stiftung in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten kommt zu dem Schluss, dass das Persönlichkeitsrecht der schwangeren Person, welches im Falle einer frühen Schwangerschaft der besonders schützenswerten Intimsphäre zuzuordnen ist, in der Regel schwerer wiegt, als die Meinungsfreiheit oder das Versammlungsrecht sowie die Religionsfreiheit der Abtreibungsgegner*innen. Meinungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit könnten auch außerhalb der Hör- und Sichtweite der Einrichtung ausgeübt werden. Die schwangere Person hingegen ist gesetzlich verpflichtet, die Pflichtberatung aufzusuchen, um im Rahmen des §218 straffrei einen Schwangerschaftsabbruch durchführen zu können.

Das Gutachten schlägt daher die Ergänzung eines §14a SchKG um einen Ordnungswidrigkeitstatbestand vor, der die versuchte oder erfolgreiche Beeinflussung der Ratsuchenden mit einem Bußgeld belegt.

Stand Mai 2024: Anfang 2024 wurde vom Kabinett ein Gesetztesentwurf gegen Gehsteigbelästigung beschlossen. Im Mai 2024 fand eine Anhörung mit Sachverständigen statt, die uneindeutig verhandelt wurde.

Rechtsgutachten (PDF)

Bemerkungen

Aufgrund kürzlich vergangener und potenziell zukünftiger juristischer Anpassungen sollte das Thema aktuell verfolgt werden. Das Rechtsgutachten wurde Anfang 2021 veröffentlicht. Am 24. Juni 2022 wurde das sogenannte Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche (§219a StGB) ersatzlos aufgehoben. Diese Neuerung ist im Rechtsgutachten und der Handreichung daher nicht berücksichtigt.

Prof. Dr. Sina Fontana ist Lehrstuhlinhaberin des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Krisenresilienz an der Universität Augsburg und ehemalige Vorsitzende der Kommission Verfassungsrecht, Öffentliches Recht, Gleichstellung (2019- 2023) im Deutschen Juristinnenbund (djb).

Didaktische Hinweise

Die zugehörige Handreichung mit politischen Handlungsempfehlungen ist hier verfügbar. Das Rechtsgutachten eignet sich für eine fachspezifische, politische und zivilgesellschaftliche Nutzung, insbesondere als Argumentationshilfe für politische Forderungen im Themenfeld.

Ergänzend zum Thema gibt es einen Podcast mit der Autorin "Sina Fontana – Schwangerschaftsabbruch: Versorgung sichern!".

Presseecho/Rezensionen

Das Rechtsgutachten wurde fachspezifisch und politisch breit eingesetzt und verbreitet, unter anderem hier:

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