Kulturkampf und Gewissen. Medizinethische Strategien der „Lebensschutz“-Bewegung
Abtreibungsgegner*innen organisieren sich in einer Anti-Choice-Bewegung, die sie selbst "Lebensschutz-Bewegung" nennen. Doch es geht ihnen um weitaus mehr als nur darum, legale und sichere Schwangerschaftsabbrüche zu verhindern; Es geht ihnen in Wirklichkeit um einen "Kulturkampf". Wie genau der aussieht, analysieren Eike Sanders, Kirsten Achtelik und Ulli Jentsch in ihrem Buch.
Dazu setzen sich die Autor*innen zunächst kritisch mit den Argumenten der Bewegung im Hinblick auf Moral und Ethik auseinander: Mit der "gottgegebenen natürlichen" Ordnung zweier Geschlechter, dazugehörigen festen Körper- und Rollenvorstellungen, der Gefahr einer demografischen Krise durch zu wenige Geburten und dem angeblichen Werteverfall durch feministische Bewegungen.
Im Folgekapitel ordnen die Autor*innen medizinethische Argumente der Bewegung zum "Lebensschutz" ein wie z. B. jenes, dass Abtreibung Mord sei und Sterbehilfe ein unzulässiger Akt der Selbstermächtigung. Sie thematisieren deren interne Widersprüche, wenn "Lebensschützer" sich beispielsweise mit Frauen als "Opfer von Abtreibung" scheinsolidarisieren oder die "Hilfe für die Schwachen" einseitig zum moralischen Nonplusultra erklären.
Es folgt ein Kapitel zur ärtzlichen Ethik. Darin thematisieren die Autor*innen u. a. den Hippokratischen Eid, den Konservative und rechte Akteur*innen auch heute noch in seiner ursprünglichen Form als ethische Basis für das Handeln der Ärzteschaft verstehen wollen, obwohl er längst abgelöst ist durch neuere Dokumente, die einer veränderten gesellschaftlichen Realität eher entsprechen.
Nach einer Auseinandersetzung mit den Argumenten zur Religions- und Gewissensfreiheit werden die Akteur*innen der "Lebensschutzbewegung" in Deutschland und im Ausland benannt und als Teil eines konservativen bis extrem rechten, in Teilen antidemokratischen Kontexts eingeordnet.
Inhaltsverzeichnis
EINLEITUNG
1. DER AUFSCHWUNG DER (EXTREMEN) RECHTEN
2. DER KULTURKAMPF DER »LEBENSSCHUTZ«-BEWEGUNG
2.1 Verteidigung der angeblich »natürlichen« zweigeschlechtlichen Ordnung und der Sexualmoral
2.2 Angriff auf den Werteverfall durch »die 68er«, insbesondere den Feminismus und »Genderismus«
2.3 Die Berufung auf Gott
2.4 Die Beschwörung einer christlich bis völkisch definierten demografischen Krise
2.5 »Es regt sich Widerstand«
3. MEDIZINETHISCHE ARGUMENTATIONEN IM BEREICH »LEBENSSCHUTZ«
3.1 Der Beginn des Lebens: »Der Mensch in der Petrischale«
3.2 § 218: »Abtreibung ist Mord«
3.3 PND: »Den Schwachen müssen wir helfen, nicht sie beseitigen«
3.4 PAS: »Auch Frauen sind Opfer der Abtreibung«
3.5 § 219 und das Schwangerschaftskonfliktgesetz: »Recht haben und Recht bekommen sind zwei verschiedene Sachen«
3.6 Sterbehilfe: »Der Mensch ist nicht absoluter Herr und Besitzer seines Lebens«
4. DIE ÄRZTLICHE ETHIK
4.1 Der hippokratische Eid
4.2 Christliche Medizin
5. RELIGIONS- UND GEWISSENSFREIHEIT
5.1 Die Anrufung des individuellen Gewissens
5.2 Die Anrufung der Rechtsprechung
5.3 Ressourcen einschränken
6. DIE AKTEUR*INNEN
6.1 Organisationen in Deutschland
6.2 Internationale Organisationen
7. FAZIT UND AUSBLICK
LITERATUR
Ausgewählte Primärliteratur
Ausgewählte, weiterführende Sekundärliteratur
ÜBER DIE AUTOR*INNEN
Zur Leseprobe ISBN 978-3-95732-327-9
Das Buch eignet sich für eine ethische Auseinandersetzung mit Schwangerschaftsabbrüchen. Zudem bietet es Fakten für Gegenargumente und Aufklärung, insbesondere im Bereich antifeministischer Falsch- oder Desinformationen.
Eine Auswahl der Pressstimmen zur Veröffentlichung befindet sich hier.