Alles Einzelfälle? Misogyne und sexistisch motivierte Gewalt von rechts
Frauenfeindlichkeit und Rechtsextremismus sind eng miteinander verbunden. Eine systematische Aufarbeitung und Analyse dieser Zusammenhänge fehlen jedoch bislang. Laut den Autor*innen der Studie, Mira Brate und Anna Suromai, lässt sich oft sogar ein doppelter Ausschluss feststellen: Zum einen werden rechte Motive oft übersehen oder negiert. Kommt es hingegen doch zu deren Anerkennung, werden zum anderen sexistische Dimensionen vernachlässigt. Hier wollen sie ansetzen und die Verknüpfungspunkte zwischen den sexistischen bzw. misogynen Grundpfeilern der rechtsextremen Ideologie und der sich daraus ergebenden Gefahr physischer und psychischer Gewalttaten aufzeigen.
Im ersten Teil werden grundlegende theoretische Arbeiten zu den Zusammenhängen von politisch motivierter Gewalt und Misogynie vorgestellt und zentrale Begriffe definiert. Unter anderem wird so der Begriff „Rechte Gewalt" eingeordnet und die Kriterien, die Betroffenenorganisationen verwenden, dargestellt. Diese theoretische Rahmung bietet die Erklärungsgrundlage für die Fallanalysen, die im zweiten Teil durchgeführt werden.
Anhand von acht realen Fällen wird die Tragweite sexistischer Gewalt von rechts aufgezeigt. Die vielfältige Gewalt wird in fünf unterschiedliche Kategorien unterteilt:
- Gewalt gegen politische Gegnerinnen,
- Gewalt gegen Frauen, deren Sexualität als „abweichend“ verstanden wird,
- sogenannte „Beziehungstaten“ als Ausdruck sexistischer Elemente des Weltbildes rechtsextremer Täter,
- sexistische rechte Gewalt mit intersektionaler Dimension und
- Gewalt gegen effeminierte, also verweiblichte, Männlichkeiten.
Abschließend gibt es ein Interview mit Heike Kleffner, Journalistin und Geschäftsführerin des Verbands der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e.V.
Zum Schluss geben die Autor*innen Handlungsempfehlungen, die sie aus ihrer Analyse ableiten. Im Fokus steht hier die breitere gesamtgesellschaftliche Anerkennung der Gefahr, die von dieser Gewaltverschränkung ausgeht und eine stärkere Berücksichtigung der Motive bei Gewalttaten gegenüber weiblich gelesenen Personen.
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- Antifeminismus und Frauenhass als zentrale Ideologien im gewaltbereiten Rechtsextremismus
- Und täglich gibt es einen Einzelfall
- Sexismus, Misogynie, Antifeminismus – wovon sprechen wir eigentlich?
- Sexismus in der „Mitte der Gesellschaft“?!
- Die sexistische Ideologie der extremen Rechten
- Dichotomisierung: „Frauen und Männer sind komplett unterschiedlich“
- Biologisierende, homogenisierende Essentialisierung: „Es gibt etwas spezifisch Weibliches bzw. Männliches, das alle Frauen bzw. Männer gemeinsam haben“
- Hierarchisierung: „Der Mann entscheidet und die Frau muss sich ihm anpassen“
- Sexistische Gewalt der extremen Rechten
- Männlichkeit: „Jungs brauchen Gewalt!“
- Weiblichkeit: „Des Mannes Art sei Wille, des Weibes Willigkeit“
- Dunkelfeld sexualisierte Gewalt in der extremen Rechten
- Rechte Gewalt – wovon sprechen wir eigentlich?
- Wie blicken Behörden auf sexistisch motivierte rechte Gewalt?
- „Hinsehen, dranbleiben, aufpassen ...“
- Die vielen Facetten sexistischer rechter Gewalt – Vorgehen und Fallanalysen
- Kategorie 1: Gewalt gegen politische Gegnerinnen
- Kategorie 2: Gewalt gegen Frauen, deren Sexualität als „abweichend“ verstanden wird
- Kategorie 3: Sogenannte „Beziehungstaten“ als Ausdruck sexistischer Elemente des Weltbildes rechtsextremer Täter
- Kategorie 4: Sexistische rechte Gewalt mit intersektionaler Dimension 52 Kategorie 5: Gewalt gegen effeminierte Männlichkeiten
- „Was lange Zeit nicht genug im Blick war, ist Misogynie”
- Fazit
- Handlungsempfehlungen
- Literatur
- Ergänzend zur Lektüre der Studie bietet sich die Dokumentation und Analyse der Meldestelle Antifeminismus „Zivilgesellschaftliches Lagebild Antifeminismus 2023" an. Weitere Informationen zur Meldestelle Antifeminismus finden sich hier.
- Zur Relevanz des digitalen Raums für Misogynie und Gewalt empfiehlt sich die Handreichung „Frauenhassende Online-Subkulturen“ der Amadeu Antonio Stiftung. Sie gibt einen Überblick über antifeministische Narrative rechtsextremer Online-Subkulturen, erklärt antifeministische Memes und ordnet die gängigsten Plattformen der Online-Rechtsextremen ein.
- Im zweiten Teil der Untersuchung „Die vielen Facetten sexistischer rechter Gewalt – Vorgehen und Fallanalysen" werden Gewalttaten, darunter auch sexualisierte Gewalt, detailliert beschrieben und abwertende Sprache gegenüber Sexarbeiter*innen reproduziert. Zu Beginn dieses Teils weist eine Inhaltswarnung auf den Inhalt hin. Leser*innen können beim dritten Teil der Publikation wieder einsteigen.
- Zur Verwendung des Wort „Täter" schreiben die Autor*innen: „Die hier analysierte sexistische Gewalt, die vom rechts-extremen Spektrum ausgeht, gründet sich auf ein Männlichkeitsverständnis, das Gewaltaffinität bekräftigt, Frauen abwertet und Transidentitäten ablehnt. Aus diesem Grund sprechen wir im Folgenden in den meisten Fällen von Tätern."